Von Michaela Gebauer PEINE. Der finale Tag der Reise auf dem Jakobsweg fordert von PAZ-Reporterin Michaela Gebauer und Kristin Willecke die Mobilisierung der letzten Kräfte: Es geht 16 Kilometer bergauf zur Kathedrale in Santiago de Compostela, wo eine Messe für die Pilger gefeiert wird und so manche Freunde von der langen Wanderung wiedergetroffen werden.
Gesundheitswochen
PAZ-Serie, Teil 12: Die Pilgerinnen erklimmen auch das letzte Hindernis der Reise
Tag 16 unseres Jakobsweges: Kristin und ich waren mehr als glücklich. Wir hatten nur noch 16 Kilometer vor uns, um Santiago de Compostela zu erreichen. Was wir zu dem Zeitpunkt aber noch nicht wussten: Santiago de Compostela liegt auf einem Berg...
Auch wenn der letzte Abschnitt unseres Weges sehr anstrengend war, gab es viele schöne Fleckchen, die für enorme Energieschübe sorgten. Wir hielten an mehreren Flüssen an, bestaunten kleine Steinbrücken über Bäche und genossen die idyllische Landschaft. (Wenn ich im Nachhinein die Bilder anschaue, kann ich kein Idyll erkennen. Das Wetter war grau und der Boden matschig. Kristin und ich hatten zu diesem Zeitpunkt aber nichts anderes als Glück und Erfolg im Kopf, schließlich waren wir kurz vor dem Ziel.)
Ehe wir uns versahen, waren wir auch schon da. Ich hatte mir insgeheim ausgemalt, dass wir von jemandem empfangen würden und dann unsere Urkunden überreicht bekämen. Dem war aber nicht so.
Kristin und ich standen völlig einsam auf dem großen Platz vor der Kathedrale. Neben uns spielte ein Dudelsackspieler und sammelte Geld, während die Spanier schnell an ihm vorbeigingen und ihn nicht beachteten. Vor uns befand sich ein riesiges blaues Gerüst, da die Kathedrale restauriert wurde. Wir waren ganz verdutzt und wussten nicht weiter...
Kristin und ich machten uns also auf den Weg und fragten Einheimische, was wir jetzt machen sollen. Ein Museumsleiter schickte uns dann zu einer Art Pilgerbüro, in dem wir eine Urkunde abholen sollten.
Dort angekommen mussten wir eine Nummer ziehen. Als wir an der Reihe waren, zeigten wir unsere Pilgerausweise mit den Stempeln vor. Sie wurden ausgiebig geprüft, erst dann gab es die Urkunde.
Während ich noch in Gedanken versunken war, feierte Kristin ihre Urkunde und hüpfte wild durch das Büro. Sie umarmte mich, machte mehrere Fotos von dem Dokument und war einfach nur glücklich. Bei mir hatte dieses Erlebnis im Pilgerbüro allerdings das Gegenteil bewirkt. Ich fühlte mich auf einmal leer und war unglaublich enttäuscht. „Das soll es gewesen sein? Das war jetzt der Jakobsweg?“
Es gab aber glücklicherweise noch eine weitere Sache, die zum Jakobsweg gehört, und das ist der berühmte katholische Gottesdienst für Pilger in der Kathedrale.
Kurz bevor die Messe begann, stießen immer mehr Pilger hinzu. Viele Gesichter erkannten wir wieder, einige waren inzwischen sogar zu unseren „Freunden“ geworden. Wir unterhielten uns, erzählten uns Geschichten und kamen aus dem Quatschen gar nicht mehr heraus. Erst als die Glocke läutete, verstummten wir und lauschten der Predigt des Priesters.
Ein Stockwerk unter dem Priester befanden sich die Gebeine des heiligen Apostels Jakobus, über ihm hing an einem langen Seil ein vergoldetes 1,60 Meter großes Weihrauchfass. Dieses wurde von acht Männern in Bewegung gesetzt. Die Kathedrale wurde in einen wunderschönen, beruhigenden Duft gehüllt.
Ab diesem Moment bemerkte ich, dass sich in mir etwas Riesiges angestaut hatte. Ich war plötzlich den Tränen nahe und hatte mit mir zu kämpfen, nicht zu weinen. Als dann aber alle Gottesdienst-Besucher aufstanden, um den Segen des Priesters zu empfangen, war es um mich geschehen. Ich bin wie angewurzelt auf der Bank sitzen geblieben und konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Ich war auf einmal so überwältigt und glücklich, dass ich nicht anders konnte. Einfach unglaublich: „Das war mein Jakobsweg – und er war einfach nur perfekt.“