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„Denkmalschutz“ im Peiner Land: Abenteuer, Geißel oder sinnvoller Zwang?

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Grafik: Thomas Henker

Denkmalschutz

Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz (NDSchG) verfolgt das Ziel, insbesondere Baudenkmale dauerhaft zu erhalten, um der Gesellschaft ein lebendiges Bild der Baukunst und Lebensweise vergangener Zeiten zu verschaffen. Ist eine Baulichkeit unter Denkmalschutz gestellt, ist der Eigentümer zum Erhalt des Denkmals verpflichtet, was häufig mit finanziellen Belastungen und einer Beschränkung des Eigentumsrechts verbunden ist. Zu welchen Auswüchsen dieser Interessenkonflikt führen kann, hat der CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzende im Peiner Kreistag, Hans-Werner Fechner, am eigenen Beispiel in seiner Broschüre mit dem Titel „Denkmalschutz – Abenteuer, Geißel oder sinnvoller Zwang“ anschaulich geschildert, gern kostenlos erhältlich in unserer HWG Geschäftsstelle.Im Jahre 1980 erwarb Fechner einen alten Resthof, einen sog. Kotsasshof, in der Vechelder Ortschaft Bodenstedt. Ziel des Erwerbs dieses aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gebäudes war seine Absicht, den gekauften Resthof im Sinne des Ortsbildes von Bodenstedt zu erhalten und zu pflegen. Während der 45 Nachkriegsjahre war die Zahl der damaligen Notunterbringungen von oberschlesischen Flüchtlingen (sechs Mietparteien) im Vorderbau auf zwei gesunken, sodass notwendige Umbauarbeiten durchgeführt werden mussten. Trennwände waren herausgenommen worden, bleigerahmte einfachverglaste Fenster waren soliden Sprossenfenstern gewichen, die Abwasserentsorgung hatte ein „neues Gesicht“ erhalten, der Toilettengang über den Hof war entfallen und die marode Scheune um Rahmen der Dorferneuerung zu einem Wohnhaus geworden. Dass dieses dem neuen Eigentümer nicht geringe finanzielle Investitionen abverlangte, versteht sich von selbst.Resthofeigentümer Fechner staunte nicht schlecht, als er im September 1993 ohne Vorwarnung oder Ankündigung einen Bescheid des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes – Institut für Denkmalpflege – erhielt, dass das von ihm erworbene Wohnhaus der Hofanlage als Einzelbaudenkmal in das Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgenommen wurde. Im Klartext: Ab sofort bedurfte jede Veränderung oder Instandsetzung seiner Bodenstedter Immobilie der Genehmigung der Denkmalschutzbehörde. Nun begann aber die eigentliche Odyssee, die einer Satire der besonderen Art alle Ehre machen sollte.Mit dem Überschreiten der Schwelle in das neue Jahrtausend meldete sich insbesondere am jahrhundertealten Vorderhaus des Resthofs das eine oder andere „Zipperlein“. Der Putz von der Wand bröckelte, mancher Fachwerkbalken knackte nicht nur des Nachts verdächtig, derweil auch die eine oder andere Leitung undichte Stellen vermuten ließ. Kein Wunder, dass auch die letzten Mieter die Immobilie inzwischen verlassen hatten.So kam Hans-Werner Fechner der Gedanke, das historisch gewachsene Gebäude so zu stylen, dass Menschen der heutigen Zeit sich in ihm wohlfühlen konnten, letztendlich auch um Mieter für das Wohnen auf dem „platten Land“ zu interessieren. Dazu gehörte eine veränderte Raumaufteilung, eine technische Aktualisierung in Küche, Bädern und Toiletten, praktische Fußböden, Ersetzung der nur 1,65 m hohen Türen.Entgegen manchem Rat aus dem Bekanntenkreis erbat Fechner als rechtstreuer Bürger zu den beabsichtigen Baumaßnahmen vorab die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde. Hier musste Fechner allerdings feststellen, dass er die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte. Ende Juli 2014 erhielt er im Rahmen des Bauantragsverfahrens folgende Auflage von der Denkmalschutzbehörde übersandt:

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„… Erdgeschoss und Obergeschoss: Innentüren: Sämtliche historischen Türen mit historischen Beschlägen und Schlössern sind am Standort in situ zu erhalten; somit ist eine Vergrößerung der Türöffnungen nicht möglich“

Nun schien die gesamte Vorderhausmodernisierung infrage gestellt. Welcher Mieter würde sich wohl mit 1,65 m hohen Türen zufriedengeben wollen, ohne nicht ständig Kopfverletzungen befürchten zu müssen. Sollte die Denkmalschutzbehörde übersehen haben, dass das Längenwachstum der Menschen in den letzten drei Jahrhunderten nicht unerheblichen Veränderungen ausgesetzt war? Mag das „Gardemaß“ zur Zeit des Friedrich des Großen noch bei 1,70 m gelegen haben; heute würde sich der „Alte Fritz“ sicher nicht mit Soldaten unter 2,00 m zufriedengeben. Mit dem vorgenannten Schreiben von Juli 2014 begann Fechners Kampf um „menschenwürdige“ Türen.

Intensive Telefongespräche und Gegenvorstellungen des Bauherrn zur Notwendigkeit des Austausches der nur 1,65 m hohen Innentüren vermochten die Behörde nicht von ihrer Überzeugung abzubringen. Das Denkmalschutzamt verblieb bei seinem Hinweis „Es liegt lediglich in Ihrem privaten Interesse, das Wohnhaus in einer modernen Wohnqualität anzubieten.“ Auch Fechners Hinweis, dass Mieter wohl kaum bereit seien, statt einer heutigen Wohnverhältnissen entsprechenden Wohnung ein Museum anzumieten, verfing nicht. Erst auf die Klage des Bauherrn beim Verwaltungsgericht lenkte die Behörde schließlich ein und genehmigte den Austausch der nur 1,65 m hohen Innentüren.

Der Satire zweiter Teil:

Die Genehmigung des Austausches der zehn Innentüren wurde seitens des Denkmalamtes durch Bescheid vom 27. Januar 2015 allerdings nur unter folgenden Auflagen erteilt:


1. Alle Türen, Türzargen und Türblätter sind insgesamt fachgerecht und dauerhaft in dem Gebäude einzulagern.

2. Alle Türen sind insgesamt vor Maßnahmebeginn am Standort von allen Seiten fotografisch zu dokumentieren. Der Standort der einzelnen Türen ist in der Dokumentation und im jeweils entsprechenden Grundriss zu kennzeichnen. Die Dokumentation ist unmittelbar nach Abschluss der Maßnahme im Original vorzulegen.

Frustriert versuchte Bauherr Fechner, die Behörde mit folgendem Schreiben vom 22. April 2015 von ihren Auflagen abzubringen:


1. Da diese o. g. Türen und Zargen innerhalb der Immobilie Hauptstraße 7 nicht wieder zum Einsatz kommen werden, erscheint eine Lagerung ohne Standort bezogene Zielsetzung dort nicht sinnvoll und ziellos.

2. Hinzu kommt die Problematik der fehlenden Lagerkapazität, denn der Dachboden ist – wie Sie sich selbst überzeugen konnten – nicht dafür geeignet und Kellerräume gibt es – wie Sie selbst wissen – in diesen denkmalgeschützten, sehr alten Häusern nicht. (Selbst wir als derzeitige Hofbewohner haben deshalb immer wieder Lagerungs- und Unterstellprobleme!!).

3. Um Ihrem – und auch meinem – Wunsch nachzukommen, „alte Sachen“ möglichst zu erhalten, habe ich mich mit der Leitung des Kreismuseums und an die Gemeinde Vechelde/Eigentümerin des Museums „Zeiträume“ gewandt und beiden kostenlose Übereignung angeboten. Abgesehen von fast verständnislosen Reaktionen lehnten beide dieses Angebot mit folgenden Begründungen ab: „Was sollen wir damit machen?“ und „Wir haben selbst keine Lagerkapazitäten für derartige Gegenstände“.

Nachdem kein Einlenken der Denkmalschutzbehörde zu verzeichnen war, rief Hans-Werner Fechner erneut das Verwaltungsgericht Braunschwieg an, um die Auflage, die ausgebauten Türen auf Dauer aufzubewahren, für rechtswidrig zu erklären. Zu seiner Überraschung erhielt der Bauherr vom Landkreis Peine wenige Monate nach Klageeinreichung einen Bescheid, dass die Nebenbestimmung zur fachgerechten und dauerhaften Einlagerung der Türen, Türzargen und Türblätter zurückgenommen wurde. Der Meinungswechsel des Denkmalschutzamtes wurde bemerkenswerterweise im Bescheid nicht begründet. Vermutlich erkannte die Fachabteilung Denkmalschutz die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts noch rechtzeitig, um eine dortige Niederlage zu vermeiden! Bezeichnenderweise wurden die Gesamtkosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der Denkmalschutzbehörde auferlegt.

Und die Moral von der Geschicht:

Bei allem Verständnis für den guten Grundgedanken des Denkmalschutzes darf dieser nicht so weit gehen, das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht in seinem Kerngehalt aufzuweichen. Rechtzeitige Gespräche, die auch die berechtigten Interessen der anderen Seite würdigen, sind einer gerichtlichen Auseinandersetzung allemal vorzuziehen. Man kann nur hoffen, dass der neugewählte niedersächsische Landtag den Mut hat, mit einer Novellierung des niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes Lösungen unter den beteiligten Kontrahenten zu erleichtern. Eva-Maria Kropp