Anzeige
Fit & Gesund 2017

Jetzt mal ganz ruhig

Jetzt mal ganz ruhig Bildunterschrift anzeigen Bildunterschrift anzeigen

FOTOS: ISTOCK, FOTOLIA

Handys, Stress und Straßenlärm: Wir leben in einer lauten Gesellschaft. Darunter leidet auch unser Gehör – die Zahl der Hörsturze nimmt zu. Ein probates Mittel dagegen gibt es nicht. Aber die Patienten können lernen, damit zu leben.

Im gesunden Zustand filtert das Gehirn lästige Geräusche aus der Umgebung heraus. So überhören wir buchstäblich auch den eigenen Herzschlag. Schlafmangel, negativer Stress oder gar Depressionen können diese Fähigkeit zum „Abschalten“ beeinträchtigen. Ein Tinnitus, also ein permanentes Ohrgeräusch, ist daher in den meisten Fällen das erste Symptom einer psychischen Überforderung, kann aber auch durch zu viel Lärm ausgelöst werden.Wie lässt sich dem zermürbenden Pfeifen, Rauschen, Brummen oder Klingeln im Ohr beikommen? Fragen an die Professorin Birgit Mazurek, HNO-Ärztin und Direktorin des Tinnituszentrums der Berliner Charité. Kerstin Hergt hat mit ihr gesprochen.Eine amerikanische Studie hat ergeben, dass zehn Prozent der Erwachsenen in den USA über Tinnitus klagen. Gibt es Zahlen für Deutschland?Schätzungen zufolge gibt es weltweit rund 256 Millionen Menschen mit Hörstörungen, ein Drittel davon leidet unter einem Tinnitus, also permanenten Ohrgeräuschen. In Deutschland sind es mittlerweile etwa 13 Millionen, Tendenz steigend.

Fit & Gesund 2017  

13 Millionen Menschen leiden in Deutschland an Tinnitus, Tendenz steigend.

Birgit Mazurek, HNO-Ärztin und Direktorin des Tinnutuszentrums der Berliner Charité

Was sind denn die Ursachen für die Zunahme?

Neben negativen Stresssituationen vor allem durch den Druck ständiger Erreichbarkeit ist es auch unsere laute Gesellschaft. In allen Bereichen nimmt der Lärm zu. „Environmental Noise“, also die Summe aller von außen auf uns eindringenden Geräusche vom Straßenlärm bis zur Kaufhausbeschallung, ist ein echtes Problem.

Ist der Tinnitus deshalb mittlerweile eine Zivilisationskrankheit?

So würde ich es nicht ausdrücken. Es ist eher ein immer häufiger auftretendes Symptom in der zivilisierten Welt.

Sind auch Kinder betroffen?

Wir haben in unserer Tagesklinik auch sehr junge Patienten. Schon eine Tröte oder ein Silvesterknaller kann Hörstörungen auslösen. Man sollte sich dessen als Eltern bewusst sein.

Wie äußert sich ein Tinnitus?

Die Geräusche im Ohr sind ganz unterschiedlich. Das kann ein Summen, Pulsieren, Zirpen, Pfeifen oder Rauschen sein. Sie sind Ausdruck einer veränderten Hörverarbeitung. Schon kleinste Störungen an den Hörsinneszellen, die die von außen kommenden Reize umwandeln und zum Hörzentrum im Gehirn weiterleiten, können zu Ohrgeräuschen führen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

In der Akutphase, also den ersten drei Monaten, werden, wie bei der Hörsturzbehandlung, durchblutungsfördernde Maßnahmen ergriffen, wie zum Beispiel eine Kortison-Therapie. Im chronischen Stadium gibt es bislang keine Heilung, allenfalls Linderung durch multimodale verhaltenstherapeutisch orientierte Therapien.

Was muss man sich unter einer solchen Therapie denn vorstellen?

Die Patienten lernen in diesen Therapien, mit dem Hörgeräusch umzugehen, sich also nicht ständig davon ablenken oder stören zu lassen, sondern es als neutrales Begleitgeräusch zu bewerten.

Jetzt mal ganz ruhig-2
Summen, Pulsieren, Zirpen oder Pfeifen: Geräusche im Ohr können ganz unterschiedlich sein. Der Facharzt weiß Rat. FOTO: FOTOLIA

Viele Menschen haben die Beschwerden über Jahre. Kann man sich tatsächlich daran gewöhnen und gut damit leben? Oder ist ein solches Ohrgeräusch vielmehr eine gefährliche Dauerbelastung, die mit der Zeit auch andere gesundheitliche Folgen nach sich zieht?

Das hängt vom Belastungsgrad ab und der variiert. Es gibt Patienten, die brauchen keine Therapie und fühlen sich kaum beeinträchtigt, andere wiederum sind über mehrere Jahre in Behandlung, weil das Ohrgeräusch Depressionen, Schlafstörungen oder Angstzustände hervorruft oder noch verstärkt. In jedem Fall kann man lernen, mit einem Tinnitus zu leben. Gerade bei einem chronischen Tinnitus ist es jedoch wichtig, das interdisziplinär behandelt wird. Neben HNO-Ärzten und Psychotherapeuten sind dabei oft auch Physiotherapeuten oder Neurologen gefragt.

Wie groß ist bei einem chronischen Tinnitus die Gefahr, das Gehör ganz zu verlieren?

Eher gering. Das passiert eher bei einem Hörsturz.

Ein Hörsturz gilt als „kleiner Schlaganfall“ und damit als Warnsignal, das der Körper aussendet. Ist das beim Tinnitus ebenfalls so?

Auch der Tinnitus ist ein Zeichen für eine Überbelastung und damit ein Warnsignal, als „kleinen Schlaganfall“ würde ich das aber nicht bezeichnen.

Wie weit ist die Forschung, steigen die Heilungschancen in absehbarer Zeit?

Ein Wundermittel gegen die Erkrankung ist nicht in Sicht. Aber es gibt Verbesserungen bei den hörtherapeutischen Optionen, zum Beispiel Hörgeräte oder akustische Verfahren mit spezieller Filterung, die das Ohrgeräusch weiter in den Hintergrund treten lassen.

Plötzlicher Hörsturz – nicht immer ein Notfall

Ein Hörsturz galt früher als Notfall, mit dem man so schnell wie möglich zum Arzt sollte. Solche Hektik, die schnell in Panik umschlägt, ist laut den aktuellen Empfehlungen nicht notwendig und eher kontraproduktiv – es sei denn, das Ohr ist komplett taub, sagt Prof. Gerhard Hesse, Chefarzt des Ohr- und Hörinstituts im hessischen Bad Arolsen und Sprecher des Fachlichen Beirats der Deutschen Tinnitus-Liga.

24 Stunden oder gar länger können Patienten bei gering ausgeprägten Hörverlusten abwarten, bis sie einen Arzt aufsuchen. In dieser Zeit können die Symptome abklingen.

Ansonsten könnten die Patienten insbesondere bei eher gering ausgeprägten Hörverlusten zunächst 24 bis 48 Stunden abwarten, sagt Michael Deeg, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in Freiburg und Sprecher des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte. Bei rund der Hälfte der Betroffenen stelle sich in dieser Zeit das normale Hörvermögen wieder ein. „Und auch wenn das nicht der Fall sein sollte, droht keine Verschlechterung, und es besteht auch nicht die Gefahr, Behandlungschancen zu verpassen.“ 

Jetzt mal ganz ruhig-3

In der Wartezeit sollten es die Patienten etwas ruhiger angehen lassen: „Entspannen, früher schlafen gehen, auf Alkohol und Nikotin verzichten“, rät der HNO-Arzt. Bleibt das taube Gefühl im Ohr bestehen, ist ein Termin beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt der nächste Schritt. Er untersucht zunächst den Gehörgang: Möglicherweise ist ein Pfropf aus Ohrenschmalz schuld an den Hörproblemen.

Auch ein Infekt kann die Ursache sein: In einem solchen Fall bildet sich im Mittelohr hinter dem Trommelfell Flüssigkeit, und der Schall wird weniger gut weitergeleitet. Der Arzt fragt ab, ob der Patient lauten Geräuschen ausgesetzt war. „Lässt sich kein solcher auslösender Faktor feststellen, liegt ein Hörsturz vor“, sagt HNO-Spezialist Hesse. 40 bis 100 von 100 000 Menschen seien pro Jahr betroffen.

Hörsturz und Tinnitus – beides eine Folge von Stress

Entspannung kann Betroffenen häufig helfen

Jetzt mal ganz ruhig-4

Plötzlich schaltete das Ohr ab. Manuela W. war im Auto unterwegs zu einem Seminar, als sie die Musik aus dem Radio nur noch halb so laut wahrnahm: Ihr rechtes Ohr war von einer Minute zur nächsten taub. „Als wäre das Ohr mit ganz viel Watte zugestopft, hörte sich auf einmal alles dumpf an“, erinnert sie sich. Angst überkam die leitende Angestellte jedoch erst, als der Zustand Minuten später immer noch anhielt. An der nächsten Raststätte sagte sie ihre Termine ab, kehrte um und begab sich sofort zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Diagnose: Hörsturz.

Bei der Ursachenforschung tappen die Wissenschaftler noch immer im Dunkeln. Wie beim Tinnitus gilt jedoch auch beim Hörsturz Überlastung als möglicher Auslöser. Vermutet wird teilweise eine psychosomatische Reaktion: Der Körper trifft zum Schutz gegen zu viel negativen Stress die unterbewusste Entscheidung zum Abschirmen gegen die Außenwelt und blockiert das Ohr. Bewiesen ist das zwar nicht, doch Fakt ist, dass Stress Entzündungen oder Durchblutungsstörungen im Ohr begünstigen kann.

Bei einem Hörsturz werden die Sinneseindrücke ab dem Innenohr nicht mehr richtig weiterverarbeitet. Die Informationsübermittlung ans Gehirn ist gestört. Meist hält ein Hörsturz maximal 48 Stunden an und wird von Fachärzten daher nicht als Notfall eingestuft. „Nicht jeder Hörsturz bedarf einer Behandlung“, heißt es dazu in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Sie nennt ohnehin keine „kausale Therapie“, weil die Ursache für das Krankheitsbild unklar sei. Ein Patentrezept gibt es also nicht.


Als wäre das Ohr mit ganz viel Watte zugestopft.

Manuela W., Hörsturz-Patientin


Die in der Leitlinie zusammengefassten Empfehlungen zur Behandlung stützen sich allenfalls auf „empirische Therapieverfahren, die einen positiven Einfluss auf die Erholung des Gehörs erkennen lassen“. Dazu zählt in erster Linie die Behandlung mit Kortisonpräparaten in Form von Tabletten, als Infusion oder Spritze direkt ins Ohr. Allerdings ist die Wirksamkeit dieser Therapie bei einigen Experten mittlerweile umstritten. Manuela W. brauchte all dies nicht. Am nächsten Tag war das Taubheitsgefühl verschwunden. „Ich versuche jetzt die Sachen bei der Arbeit entspannter anzugehen, mich selbst nicht so unter Druck zu setzen“, sagt sie ein Jahr später. Bislang hat sie keine Probleme mehr gehabt.

Doch ein Hörsturz kann durchaus negative Folgen nach sich ziehen: Bei zehn bis zwanzig Prozent der Betroffenen bleiben Hörminderungen. Schmerzen verursacht ein Hörsturz dagegen nicht. Der Tinnitus wiederum ist ein Symptom, das bei einem Hörsturz auftreten kann. Klingt dieser ab, verschwindet auch das Ohrgeräusch in der Regel. kh

Krankenkassen bezahlen Therapie

Kortison wird bei einem Hörsturz in hoher Dosierung eingesetzt, als Infusion, in Tablettenform oder per Spritze direkt ins Ohr. „Der Wirkstoff reguliert den Flüssigkeitshaushalt im Innenohr und wirkt antientzündlich“, sagt Hesse. Die Stoßtherapie über einige wenige Tage sei gut verträglich. Auch wenn die Wirksamkeit von Kortison beim Hörsturz noch nicht durch Studien erwiesen sei, werde die Behandlung in der Regel von den Krankenkassen bezahlt, obwohl sie keine Kassenleistung ist.

Aktiv in den Frühling

SPRECHSTUNDE INGO FROBÖSE

Jetzt mal ganz ruhig-5

Nach den langen, dunklen Tagen des Winters fühlt sich so manch einer ein wenig eingerostet und träge. Der innere Antriebsmotor des Organismus läuft noch im Schonmodus und stottert. Schütteln Sie die Müdigkeit der kalten Jahreszeit ab und starten Sie aktiv in den Frühling. Nach den Wintermonaten braucht der Organismus in der Regel einige Zeit, um sich hormonell umzustellen. Damit Sie nun mit frischer Energie in den Frühling starten können, müssen Sie selbst aktiv werden. Mit regelmäßiger körperlicher Aktivität schaffen Sie die Basis für einen schwungvollen Start in die kommende Jahreszeit. Doch wie wird der innere Schweinehund aus dem Winterschlaf geholt? Eine Taktik bieten klare Zielsetzungen und die damit verbundenen Belohnungen. Wichtig ist, dass die Ziele erreichbar sind. Ein Laufanfänger sollte sich lieber kleine Etappen vornehmen, als eine lange Strecke gleich ohne Pause durchhalten zu wollen.

Prof. Dr. Ingo Froböse ist Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Gut für die Hüfte: Der Schmetterling

UNSERE LEICHTESTE ÜBUNG

Jetzt mal ganz ruhig-6

Der Schmetterling lockert die Hüftgelenke, dehnt das Kreuzbein, die Leisten und die Innenseite der Oberschenkel. Anleitung: Mit geradem Rücken auf den Boden setzen. Die Fußsohlen aneinanderlegen und die Knie nach außen fallen lassen. Nun die Fußgelenke umfassen und mit den Beinen wippen. Bei Knieproblemen kann die Übung ohne Bewegung, mit einem Block unter den Knien, ausgeführt werden.

Das Online-Yogastudio YogaEasy.de zwei Wochen kostenlos testen:

COPD

DAS SAGT DER ARZT

Häufiger Husten mit Auswurf und Atemnot bei Belastung sind typische Anzeichen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, im Volksmund auch häufig als „Raucherlunge“ oder „Raucherhusten“ verharmlost.

Hätten Sie’s gewusst? Männer verzichten laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beim Händewaschen öfter auf Seife als Frauen.